Dropshipping: Vor- und Nachteile des umstrittenen Geschäftsmodells

Dropshipping: Vor- und Nachteile des umstrittenen Geschäftsmodells

Veröffentlicht am 20. September 2023

Sissy Scheible

Sissy Scheible

E-Commerce

Dropshipping - Das Wichtigste in Kürze:

  • Dropshipping ist im deutschsprachigen Raum auch unter dem Begriff “Streckengeschäft” bekannt.

  • Beim Dropshipping halten Onlinehändler oft keine oder kaum mehr eigene Produkte vorrätig, sondern lassen diese direkt von Großhändlern oder Herstellern an ihre Kunden verschicken.

  • Beim Verkauf von Ware über Dropshipping ist kein eigenes Lager nötig, was immense Kosten einspart.

  • Beim Dropshipping geben Unternehmen die Kontrolle über den Versand und die Qualität der Produkte großteils an den Dropshipping-Anbieter ab.

Die chinesische Online-Plattform TEMU macht es vor: Mit einem riesigen Sortiment in den Onlinehandel einsteigen, ohne dafür eigene Lager haben zu müssen. Wie genau der neue E-Commerce-Riese das macht, ist kein Geheimnis: Sie nutzen das E-Commerce-Geschäftsmodell “Dropshipping”.

Was ist Dropshipping?

Dropshipping ist im deutschsprachigen Raum auch unter dem Begriff “Streckengeschäft” bekannt. Bei dieser Form des E-Commerce halten Onlinehändler oft keine oder kaum mehr eigene Produkte vorrätig, sondern lassen diese direkt von Großhändlern oder Herstellern an ihre Kunden verschicken. Dropshipping ist somit eine geeignete Möglichkeit für Onlinehändler und auch stationäre Händler, ihr Sortiment ohne viel Aufwand zu erweitern oder auch komplett neu aufzustellen und ihren Kunden somit eine wesentlich größere Auswahl zu bieten.

Wie funktioniert Dropshipping?

Der Händler oder Online-Händler präsentiert die Produkte in seinem Geschäft oder Online-Shop und bewirbt diese. Die Produkte werden vom Kunden beim Händler bestellt. Diese Bestellung geht dann direkt zum Dropshipping-Partner weiter. Der gesamte Prozess der Produktauslieferung wird an diesen ausgelagert. Je nach Dropshipping-Partner und -Modell wird auch der Retourenservice für die Kunden übernommen.

Oft wird vom Händler das Logo und die Absenderadresse vorgegeben, damit für den Kunden nicht ersichtlich ist, dass die Ware nicht von diesem selbst verschickt wurde. Bei Beanstandungen wird in diesem Fall dann direkt der Händler und nicht der Dropshipping-Partner kontaktiert.

Vorteile und Nachteile von Dropshipping

Den Versand der Ware komplett aus der Hand zu geben, löst bei vielen zunächst einmal Unbehagen aus. Wird dadurch nicht zu viel Kontrolle verloren? Riskieren Sie dadurch die Nähe zu Ihren Kunden? Den durchaus gerechtfertigten Bedenken stehen jedoch auch klare Vorteile gegenüber.

Vorteile von Dropshipping

Geringere Kosten

Dadurch, dass Sie Ihre Ware nicht selbst einlagern müssen, entstehen keine Lagerkosten für Sie, weder für die Anmietung oder den Kauf eines Lagers, noch für die Lagermitarbeiter. Zudem müssen Sie keine Produkte im Voraus kaufen. Sie brauchen somit kein hohes Startkapital für die Einlagerung von Produkten, die im schlechtesten Fall bei Ihnen liegen bleiben, wenn sie nicht verkauft werden.

Niedrige Einstiegshürden

Wenn Sie Ihren Handel oder Ihr E-Commerce Business gerade erst eröffnen, sind die Einstiegshürden niedriger, wenn Sie einen Dropshipping-Partner haben. Neben den geringeren Kosten, müssen Sie sich auch kaum Gedanken über Verpackung und Versand, Bearbeitung von Retouren und eingehenden Sendungen, Verwaltung der Lagerbestände und dergleichen machen. Sie können sich ganz auf den Aufbau Ihres Shops und das Marketing konzentrieren.

Hohe Skalierbarkeit

Da Sie dank Dropshipping kein eigenes Lager und somit auch keinen eigenen Warenbestand benötigen, können Sie Ihr Sortiment jederzeit beliebig erweitern und sogar international agieren. Auch Bestellspitzen lassen sich so meist problemlos abdecken. Dem Wachstum Ihres Handels oder Online-Shops sind somit kaum Grenzen gesetzt. Gewinnspannen können Sie meist selbst festlegen, auch wenn von manchen Anbietern Mindestpreise festgelegt werden. Nach oben hin gibt es immerhin keine Grenzen. außer der Preissensitivität Ihrer Kunden.

Großes Sortiment

Während neue Geschäfte oder Online-Shops in der Regel mit einem recht überschaubaren Sortiment starten und sich dann erfolgsabhängig nach und nach steigern, können Sie mit Dropshipping Ihren Shop bereits mit einem großen Sortiment eröffnen und können Ihren Kunden somit von Anfang an mehr Auswahl bieten. Sie können auch erst klein starten und Ihr Sortiment dann nach Belieben vergrößern. Achten Sie jedoch darauf, den Überblick über Ihr Sortiment zu behalten und keine minderwertige Ware anzubieten, nur um Ihr Sortiment zu vergrößern.

Nachteile von Dropshipping

Geringe Margen

Da Sie die Preise für Ihre Kunden attraktiv halten sollten, damit Ihre Produkte gekauft werden, sind Ihre Margen beim Dropshipping oft recht gering. Bieten Sie Ihre Produkte zu teuer an, finden Ihre Kunden diese mit Sicherheit in einem anderen Dropshipping-Shop günstiger und werden dann lieber dort einkaufen.

Anders verhält es sich, wenn es Ihnen durch geschicktes Branding gelingt, eine beliebte Marke aufzubauen. Dann können Sie durchaus so mutig sein, etwas mehr für Ihre Produkte zu verlangen.

Versandkosten schwer kalkulierbar

Wenn Sie mit mehreren Dropshipping-Anbietern zusammenarbeiten, werden die Produkte entsprechend auch von den verschiedenen Anbietern versendet, die jeweils unterschiedliche Versandkosten verlangen können. Es wird somit schwer, dem Kunden feste Versandkosten zu nennen. Zudem können sich für den Kunden Versandkosten addieren, wenn er mehrere Produkte bestellt, die aber von verschiedenen Dropshipping-Anbietern stammen. Um Ihre Kunden nicht zu verärgern, ist es ratsam, in solchen Fällen die anfallenden Versandkosten nicht 1:1 an den Kunden weiterzugeben, auch wenn Ihre Marge dann noch geringer ausfällt.

Geringe Kontrollierbarkeit

Wenn Sie sich für Dropshipping entscheiden, haben Sie, über Prüfexemplare hinaus, keinen physischen Kontakt zu den Produkten, die Sie anbieten. Sie können keine regelmäßigen Qualitätskontrollen durchführen, außer Sie lassen sich regelmäßig Stichproben liefern.

Sie haben auch keinen Überblick über den Lagerbestand, außer Ihr Dropshipping-Partner bietet Ihnen entsprechenden Einblick, zum Beispiel über eine App.

Ebenso wenig können Sie Einfluss auf die Lieferzeit, das Verpacken der Ware, den Versandweg, und die Zustelldauer nehmen. Fehler, die in der Lieferung geschehen, sei es beschädigte Ware, eine verspätete oder falsche Zustellung und dergleichen, müssen Sie somit auf Ihre Kappe nehmen, ohne dass Sie wirklich etwas dafür können.

Sie geben ein großes Stück der Kontrolle über Ihr eigenes Geschäft folglich an den Dropshipping-Partner ab. Wählen Sie einen unseriösen Dropshipping-Partner, kann das dem Ruf Ihres Unternehmens immens schaden.

Erschwertes Retourenhandling

Dropshipping-Partner bieten oft kein Rücknahmehandling an. Bei Reklamationen wird daher direkt der Händler angesprochen, welcher im Regelfall auch dafür haften muss. Je nach Produkt kann die Rücksendungsquote recht hoch ausfallen und Ihr Aufwand, die anfallenden Retouren zu bearbeiten, wird dadurch immens, da Sie nicht nur dem Kunden das Geld erstatten müssen, sondern auch selbst für jedes Produkt beim jeweiligen Dropshipping-Partner die Retoure klären müssen.

In welchen Bereichen können Sie Dropshipping nutzen?

Von Mode über Elektronik, Schmuck oder sogar Möbel: Dropshipping kann in jeder Branche genutzt werden. Es begrenzt sich auch nicht nur auf den Online-Handel. Auch stationäre Händler können es nutzen, indem Sie den Kunden in ihren Geschäften Vorführmodelle präsentieren, wie zum Beispiel Kühlschränke oder Waschmaschinen, und diese dann über einen Dropshipping-Partner für die Kunden bestellen.

Sehr geeignet ist Dropshipping für Nischenprodukte oder saisonale Produkte.

Worauf sollten Sie bei der Wahl eines Dropshipping-Anbieters achten?

Je nachdem, welche Produkte Sie anbieten wollen, gibt es natürlich die unterschiedlichsten Dropshipping Anbieter. Es gibt Anbieter mit umfassenden Katalogen, die in fast allen Bereichen Produkte anbieten und solche, die sich auf eine bestimmte oder wenige Produktkategorien spezialisiert haben.

Um den Erfolg Ihres Shops zu gewährleisten, ist es wichtig, nicht einfach den Anbieter zu wählen, der Ihnen die größte Marge ermöglicht. Es gibt andere, wichtigere Kriterien, auf die Sie achten sollten:

Synchronisation von Beständen

Da Sie Ihren Kunden mit Sicherheit keine Produkte anbieten möchten, die gar nicht lieferbar sind, sollten Sie darauf achten, dass Ihr Dropshipping-Partner eine Synchronisierung anbietet, die schnell und regelmäßig die eingehenden Bestellungen mit dem Bestand abgleicht und somit rechtzeitig warnen kann, wenn ein Produkt nicht mehr vorrätig ist.

Synchronisation von Preisen

Oftmals geschieht es im Dropshipping, dass die Anbieter unbemerkt die Einkaufspreise erhöhen. Wenn die Margen ohnehin schon gering kalkuliert sind, kann dies sogar so weit gehen, dass Sie dann unbemerkt Verluste machen. Suchen Sie sich unbedingt einen Anbieter, der Preis-Updates sofort und umgehend übermittelt.

Aktueller Versandstatus

Da die meisten Online-Shops Ihren Kunden die Möglichkeit bieten, den Versandstatus ihrer Bestellung zu verfolgen, erwarten das Ihre Kunden natürlich auch von Ihnen. Da Sie mit Dropshipping jedoch den Versand komplett aus der Hand geben, ist es wichtig, dass Sie sich einen Dropshipping-Anbieter suchen, der den Versandstatus automatisiert korrekt an den Endkunden übermittelt und stets aktualisiert. Am besten ist es, wenn dem Endkunden eine Trackingnummer zur Verfügung gestellt wird, mit der er den Versand verfolgen kann.

Realistische Lieferzeiten

Um Ihren Kunden realistische Lieferzeiten zu ermöglichen, ist es wichtig, dass Ihr Dropshipping-Anbieter seinen Sitz oder zumindest seine Lager in Deutschland hat. Muss die Ware von weit weg eingeschifft werden oder durch den Zoll, kann es sein, dass Ihr Kunde wochenlang auf die Lieferung warten muss.

Möchten Sie trotzdem Ware von einem Anbieter aus China oder einem anderen Land anbieten, müssen Sie dem Kunden die längeren Lieferzeiten transparent machen. Bieten Sie Waren von unterschiedlichen Anbietern mit verschiedenen Lieferzeiten an, sollten Sie Ihre Lieferzeiten großzügiger angeben, um den Kunden nicht zu verärgern, wenn seine Ware länger unterwegs ist als erwartet.

Neutrale Verpackung und Dokumente

Viele Online-Shops, die Dropshipping nutzen, möchten nicht, dass der Kunde bemerkt, dass die Ware nicht direkt von Ihnen versandt wird. Wenn das bei Ihrem Shop auch der Fall ist, sollten Sie sich einen Dropshipping-Anbieter suchen, der neutrale Verpackungen und Begleitpapiere nutzt oder im besten Fall sogar Ihr Corporate Design dafür verwendet.

Vier Schritte zur Auswahl der besten Dropshipping-Anbieter für Ihr Unternehmen

  1. Recherche: Nehmen Sie sich Zeit für eine gründliche Recherche aller Dropshipping-Anbieter, die für Ihren Bereich infrage kommen. Der Anbieter sollte immer auch zu dem Produkt passen. Zudem sollte der Anbieter die oben genannten Kriterien erfüllen, wie zum Beispiel die Synchronisation der Bestände und gute Lieferzeiten. Fragen Sie sich außerdem: Ist der Anbieter vertrauensvoll? Über welchen Dienstleister erfolgt der Versand? Wie wird die Produktqualität gewährleistet?

  2. Erfahrungsberichte einholen: Haben Sie sich für einen oder mehrere Dropshipping-Anbieter entschieden, sollten Sie diese kontaktieren und um die Kontaktdaten einiger Kunden bitten, die bereits mit dem jeweiligen Anbieter arbeiten. Ergänzend gibt es auch verschiedene Plattformen im Internet, auf denen Sie Erfahrungsberichte über die einzelnen Anbieter einsehen können.

  3. Muster anfordern: Haben Sie einige Anbieter in der engeren Auswahl, sollten Sie von diesen Produktmuster anfordern, um die Qualität der Produkte zu überprüfen, bevor Sie diese in Ihrem Shop an Ihre Kunden verkaufen.

  4. Arbeitsweise überprüfen: Haben Sie sich für einen Dropshipping-Anbieter entschieden, sollten Sie dessen Arbeitsweise überprüfen. So können Sie eine möglichst kurze Lieferzeit erzielen.

Ist Dropshipping für Ihr Unternehmen geeignet?

Wenn Sie sich noch nicht sicher sind, ob Sie Ihre Produkte lieber über einen klassischen Versand oder über Dropshipping verkaufen möchten sollten Sie sich folgende Fragen stellen:

Wollen Sie Ihre Produkte mit eigenem Branding verkaufen?

Das Entwickeln einer Eigenmarke kann Ihnen zu einem hohen Wiedererkennungswert und zu einem gesenkten Preisdruck verhelfen. Zudem kann es zur Kundenbindung beitragen. Beim Dropshipping ist jedoch der Spielraum für Produktanpassung und Branding sehr begrenzt. Sowohl die Qualität der Produkte als auch die Einzigartigkeit Ihres Brands könnte darunter leiden.

Wie viel Kontrolle möchten Sie abgeben?

Bei der Zusammenarbeit mit einem Dropshipping-Anbieter haben Sie weder Kontrolle über die Qualität Ihrer Produkte, noch über den Versand und die Verpackung. Legen Sie großen Wert auf eine gleichbleibend hohe Qualität Ihrer Produkte und eine möglichst unbeschadete Anlieferung, sollten Sie sich gut überlegen, ob Sie dennoch mit einem Droshipping-Anbieter zusammenarbeiten wollen.

Welche Lieferzeiten wünschen Sie sich für Ihre Produkte?

In der Regel erwarten die Kunden vor allem im Onlinehandel einen schnellen Versand. 84% aller Kunden betrachten die schnelle Lieferung als wesentlichen Bestandteil ihres Einkaufserlebnisses. Zu lange Lieferzeiten können dem Image Ihres Unternehmens somit erheblich schaden. Entscheiden Sie sich dennoch für einen Dropshipping-Anbieter, müssen Sie unbedingt darauf achten, dass dieser schnelle Lieferzeiten gewährleisten kann.

Lohnt sich Dropshipping?

Dropshipping ist eine Geschäftsmethode mit klaren Vor- und Nachteilen. Es eignet sich besonders für Einsteiger und Unternehmen, die ihr Produktangebot erweitern möchten. Es unterscheidet sich vom klassischen Versandhandel durch die geringen Startkosten und die Flexibilität, bringt jedoch Herausforderungen in Bezug auf Gewinnmargen und Kontrolle mit sich. Die Wahl des richtigen Anbieters und eine kluge Geschäftsstrategie sind entscheidend für den Erfolg im Dropshipping.

Ob sich Dropshipping für Ihr Unternehmen lohnt, hängt letztlich von Ihrem Geschäftsmodell, Ihren Zielen und Ihrer Verkaufsstrategie ab.

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